Gattung
Die Erfindung betrifft zwei Verfahren zur sicheren,
verschleißarmen und komfortablen Führung von Fahrzeugen,
insbesondere Schienenfahrzeugen im Spurkanal eines
Gleises. Die vorgesehenen Verfahren dienen dazu, unerwünschte,
störende Bewegungen der Räder eines Fahrwerks auf den
Schienen durch geeignete Maßnahmen auszuschalten. Störungsfrei
auf den Schienen abrollende Räder sind leise. Außerdem
reduziert sich der Verschleiß an Rädern und Schienen.
Gegenstand der Erfindung sind zwei prinzipiell
unterschiedliche Methoden, mit denen die gewünschten Ziele erreicht
werden können.
Stand
Fahrwerke von Schienenfahrzeugen sind mit Radsätzen oder
Radpaaren ausgerüstet.
Bei Radsätzen sind zwei Räder fest auf einer Radsatzwelle
nebeneinander angeordnet. Beide Räder rotieren mit derselben
Drehzahl; die Aufteilung von Antriebs- und Bremsmomenten
auf die Räder eines Radsatzes richtet sich nach dem
jeweiligen kinematischen Zustand der Berührpunkte von Rädern
und Schienen.
Die Räder von Radsätzen werden mit profilierten Fahrflächen
versehen. Dadurch wird erreicht, daß die Berührungsflächen
von Rädern und Schienen geneigt sind. An den geeigneten
Berührungsflächen entstehen unmittelbar aus der Radlast
zur Gleisachse weisende Rückstellkräfte, die den rollenden
Radsatz bei geeigneter Ausbildung des Profils der Fahrflächen
zur Gleismitte zentrieren und ihn dem Verlauf der Gleisachse
ohne äußere Hilfe folgen lassen.
An profilierten Fahrflächen ändern sich die wirksamen
Radhalbmesser, wenn die Berührungspunkte auf den Fahrflächen
der Räder wandern. Damit ändern sich die augenblicklichen
Umfangsgeschwindigkeiten, was zu Antriebs- und Bremskräften
an den Rädern führt. Die Antriebskraft eines Rades bildet
mit der Bremskraft des anderen ein Kräftepaar, welches den
Radsatz um seine Halbachse wendet.
Die kinematischen Verhältnisse, die Kräfte an den Radumfängen
und die Stellung des Radsatzes im Spurkanal des Gleises
verändern sich ständig. Dauernd ungeordnet wechselnde
Querverschiebung und Schrägstellung des Radsatzes im Gleis ist
die Folge. Dieser Effekt ist als Radsatz-Wellenlauf bekannt.
Gegen den Radsatz-Wellenlauf werden Radsatzführungen
eingesetzt, welche die Wendebewegung von Radsätzen ganz oder
teilweise unterdrücken. Mit Radsatzführungen können die
sicht- und spürbaren Bewegungen des Radsatz-Wellenlaufs
nur unterdrückt, nicht aber die Ursachen für den Wellenlauf
- nämlich die in den Fahrflächen entstehenden Kräfte -
beseitigt werden.
Radpaare kennen keinen Wellenlauf. Die Räder von Radpaaren
sind ebenso wie die von Radsätzen parallel nebeneinander
angeordnet; sie können aber unabhängig voneinander rotieren.
Damit bleibt der Vorteil profilierter Räder erhalten:
Radpaare zentrieren sich direkt durch die Profilseitenkräfte
zur Gleismitte. Weil die Räder voneinander unabhängig
rotieren können, fehlt dem Radpaar allerdings jede
Wendefähigkeit. Radpaare können von selbst keine Wendewinkel erzeugen.
Sie bedürfen äußerer Kräfte und Momente, zum Einstellen
von Wendebewegungen wie sie z. B. zur zwangsfreien Fahrt
im Gleisbogen erforderlich sind. Deshalb werden Radpaare
durch ein anderes Radpaar oder eine externe Einrichtung
gesteuert. Letztere bedingt immer, daß Kräfte bzw.
Kräftepaare vom Fahrzeug auf das Radpaar einwirken müssen.
Kritik
Der Wellenlauf von Radsätzen ist für die Spurführung ebenso
unerwünscht wie die Unfähigkeit von Radpaaren, sich
selbsttätig im Gleisbogen einzustellen.
In beiden Fällen entstehen zusätzliche zu den Hauptbewegungen
Fahrgeschwindigkeit und Rotation der Räder unerwünschte
Nebenbewegungen der Räder relativ zu den Schienen. Quer-
und Längsschlupf in den Rad/Schiene-Kontakten von Radsätzen
und Radpaaren verursachen Kraftschlußkräfte, die zusammen
mit den Relativgeschwindigkeiten zwischen Rädern und Schienen
zu Kraftschluß-Verlustleistungen führen.
Letztere sind die Ursache von Radverschleiß,
Schienenverschleiß und Rollgeräuschen im Rad/Schiene-Kontakt.
Allen bisher bekannten Lösungen ist gemeinsam, daß versucht
wird, die negativen Eigenschaften von Radsätzen (Wellenlauf)
und Radpaaren (Wendefähigkeit) durch von außen über den
Fahrzeugaufbau aufgebrachte Kräfte bzw. Kräftepaare zu
mildern.
Dabei wird in Kauf genommen, daß die Reaktionskräfte auf
den Fahrzeugaufbau zwangsläufig das Bewegungsverhalten
des Fahrzeugaufbaus und damit den Fahrkomfort
verschlechtern.
Aufgabe
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, durch geeignete
Maßnahmen die Einstellung von Radpaaren in Gleisbögen zu
bewerkstelligen und den Wellenlauf von Radsätzen zu
eliminieren, ohne die positiven Eigenschaften von Radpaaren
(kein Wellenlauf) und Radsätzen (Wendefähigkeit) zu
beeinträchtigen.
Lösung
Die Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß die
Kopplung der parallelen Räder von Radpaaren und Radsätzen
gezielt zur Spurführung eingesetzt wird. Dabei kommt es
entscheidend darauf an, welche Information als
Eingangsgröße zur Steuerung oder Regelung der Kopplung eingesetzt
wird.
Als Steuer- oder Regelgröße eignen sich die Stellung von
Fahrzeugen relativ zueinander, die Stellung eines Radsatzes
oder Radpaares relativ zum Gleis und das Bewegungsverhalten
von Radsätzen oder Radpaaren im Spurkanal des Gleises.
Die zu steuernden oder zu regelnden Größen werden mit
geeigneten mechanischen, elektrischen, hydraulischen,
pneumatischen oder elektronischen Sensoren erfaßt und nach
entsprechender Aufbereitung einem Regler oder einer Steuerung
als Eingangsinformation zugeführt. Regler und Steuerungen
werten die Eingangsgröße zusammen mit anderen Informationen
über den Zustand und die Daten des zugehörigen Fahrzeugs
aus und setzen sie in Stellbefehle für den Stellmotor des
Fahrwerks um. Erst im Fahrwerk werden die zur Veränderung
der Stellgröße notwendigen Kräfte und Momente erzeugt.
Vorteil
Der mit der Erfindung erzielbare Fortschritt besteht
insbesondere darin, daß zur Verbesserung des
Spurführungsverhaltens von Fahrzeugen im wesentlichen Informationen
gewonnen und aufbereitet werden und nur im Fahrwerk geringe
Energien zur Einstellung des gewünschten Fahrverhaltens
einzusetzen sind. Stellkräfte bleiben ausschließlich auf
das Fahrwerk beschränkt und beeinflussen den Fahrkomfort
im Fahrzeugaufbau nicht.
Es versteht sich fast von selbst, daß informationstechnisch
unterstützte Fahrwerke nicht nur sehr viel verschleißärmer
und leiser - da sich selbsttätig auf aktuelle Situationen
einstellend - betrieben sondern auch erheblich leichter
gebaut werden können.
Informationen sind heutzutage einfach leichter zu handhaben
als Kräfte und Energien.
Beispiele
Die der Erfindung zugrundeliegenden Methoden und mögliche
technische Ausführungen sind in den folgenden Beispielen
schematisch dargestellt und kurz beschrieben.
Es zeigen
Fig. 1 die Prinzipskizze zweier gelenkig miteinander
verbundenen Fahrzeuge mit je einem Einzelfahrwerk und
-Sensor am Fahrzeuggelenk,
Fig. 2 das Strukturdiagramm einer Steuerkette zur Einstellung
eines Einzelfahrwerks,
Fig. 3 die Prinzipskizze eines unter einem Fahrzeug
angeordneten Einzelfahrwerks mit δ-Sensoren,
Fig. 4 das Strukturdiagramm einer Regelung zur Einstellung
eines Einzelfahrwerks mit δ-Sensoren,
Fig. 5 die Prinzipskizze eines unter einem Fahrzeug
angeordneten Einzelfahrwerks mit δ-Sensoren,
Fig. 6 das Strukturdiagramm einer Regelung zur Einstellung
eines Einzelfahrwerks mit σ-Sensoren,
Fig. 7 die Prinzipskizze eines Einzelfahrwerks im Spurkanal
eines Gleises mit α-Sensoren,
Fig. 8 das Strukturdiagramm zur elektronischen Auskopplung
des Wellenlaufs eines Radsatzes mit α-Sensoren.
In Fig. 1 sind schematisch zwei gelenkig miteinander
verbundene Fahrzeuge 1 und 2 mit ihren Einzelfahrwerken 3 und
4 dargestellt. Damit das Fahrwerk 3 der Gleisachse 7 bei
Bogenfahrt ideal folgt, muß die Längsachse 5 des Fahrwerks 3
um den Winkel α gegen die Gleisachse 6 in der Geraden
geschwenkt sein. Als Information für die Einstellung des
Schwenkwinkels α dient der Gelenkwinkel β, der sich bei
Bogenfahrt zwischen den Fahrzeuglängsachsen 8 und 9 bzw.
den zugewandten Stirnwänden 10 und 11 der Fahrzeuge 1 und
2 abnehmen läßt. Der Winkel α ist über den Bogenhalbmesser
der Gleisachse 7 und den Abstand des Fahrwerks 3 vom
Fahrzeuggelenk 12 mit dem Gelenkwinkel β verknüpft. Der Winkel α
wird durch unterschiedliche Drehzahlen der Räder des
Fahrwerks 3 eingestellt.
In Fig. 2 ist schematisch dargestellt, wie die Größen, die
die Einstellung des Fahrwerks 1 beeinflussen, verknüpft
werden. Auf den Abgriff 13 für den Gelenkwinkel β wirken
die Lage 14 der Gleisachse, die Stellung 15 des
Fahrzeugs 1 und die Stellung 16 des Fahrzeugs 2. Der
Gelenkwinkel β wird mit dem -Sensor 17 gemessen. Der v-Sensor 18
mißt die Fahrgeschwindigkeit v nach Größe und Richtung.
Die Informationen über die Größe des Gelenkwinkels β und
die Fahrgeschwindigkeit v werden von der Steuerung 19 in
eine Drehzahl ns des Stellmotors 20 umgewandelt.
Die Stellbewegung des Stellmotors 20 wird in
Überlagerungsdrehzahlen Δnl und Δnr zerlegt, die auf das linke Rad 21
und das rechte Rad 22 des Fahrwerks 1 übertragen werden.
Infolge unterschiedlicher Drehzahlen der Räder 21 und 22
wird das Fahrwerk 1 um den Winkel Δα auf den Winkel α
geschwenkt. Der Winkel α beeinflußt rückwärts über die
Stellung 15 des Fahrzeugs 1 wiederum den Gelenkwinkel β.
Klar von der Informationsverknüpfung ist der Energieteil 23
abgehoben. Ausschließlich im Energieteil 23, der sich auf
den Traktionsstrang des Fahrwerks beschränkt, werden
Kräfte, Energien und Leistungen übertragen und gewandelt.
Fig. 3 zeigt den vorderen Teil eines Einzelfahrzeugs 1 mit
seinem Einzelfahrwerk 3. Jede Seite des Fahrwerks 3 ist
mit Sensoren 24 und 25 ausgestattet, welche die Abständen δl
und δr zwischen den Radebenen der Räder 21 und 22 und den
Fahrkanten 26 und 27 der Schienen messen. Die Sensoren 24
und 25 können vor, hinter oder vor und hinter den Rädern
21 und 22 des Fahrwerks 1 angeordnet sein.
Fig. 4 veranschaulicht, wie die Anzeigen der Sensoren 24
und 25 in eine Änderung Δα des Schwenkwinkels α umgewandelt
werden. Der Vergleicher 28 stellt fest, ob sich die
Abstände und δl und δr unterscheiden. Abweichungen setzt der Regler 27
in Stelldrehzahlen ns für den Stellmotor 20 um. Die Drehung
der Räder 21 und 22 wird mit den Drehzahlen Δnl und Δnr
überlagert, was zu einer Änderung Δα des Schwenkwinkels α
führt. Der Schwenkwinkel α seinerseits beeinflußt rückwärts
zusammen mit der Lage der Fahrkanten 26 und 27 die von den
Sensoren 24 und 25 gemessenen Abstände δl und δr.
Fig. 5 zeigt eine andere Methode zur Unterstützung des
Spurführungsverhaltens. Dargestellt ist wiederum ein Fahrzeug
mit seinem vorderen Fahrwerk 3. Mit den σ-Sensoren 30 und
31 werden der Luftschall und der Körperschall im Bereich
der Räder 21 und 22 gemessen. Nur bei gleichen kinematischen
Verhältnissen an den Rädern 21 und 22 sind gleiche
Schallemissionen zu erwarten. Gleiche kinematische Verhältnisse
liegen aber nur bei Schwenkwinkel α=0 vor. Von Null
abweichende Schwenkwinkel α lassen sich am unterschiedlichen
Schall erkennen.
Fig. 6 zeigt das Strukturdiagramm der Regelung, die das
Fahrwerk 3 auf die Gleisachse 6 einstellt. Mit den σ-Sensoren
30 und 31 werden die Schallspektren Pl und Pr des linken
Rades 21 und des rechten Rades 22 aufgenommen. Der
Vergleicher 28 stellt Unterschiede in den Schallspektren Pl
und Pr fest. Differenzen setzt der Regler 29 wie bereits
beschrieben über den Stellmotor 20 in unterschiedliche
Drehzahlen der Räder 21 und 22 in und damit Änderungen Δα des
Schwenkwinkels α um.
In Fig. 7 ist ein einzelnes Fahrwerk 3 mit den Rädern 21
und 22 zu sehen, die fest mit der Welle zu einem Radsatz
verbunden sind. Ohne irgendwelche Maßnahmen folgt der
Radsatz nicht der Gleisachse 6, sondern bewegt sich auf der
wellenförmigen Bahnkurve 34. Dabei ändert der Radsatz seinen
Schwenkwinkel α ständig. Die Änderung des
Schwenkwinkels α wird mit den α-Sensoren 32 und 33 gemessen. Die α-
Sensoren 32 und 33 können den Winkel α, die
Winkelgeschwindigkeit oder die Winkelbeschleunigung ≙ erfassen.
Die Schaltung in Fig. 8 dient dazu, den Wellenlauf des
Radsatzes zu erkennen und ihn durch geeignete Radbewegugen
der Räder 21 und 22 zu kompensieren. Dazu werden die von den
α-Sensoren 32 und 33 gemessenen Zeitsignale α(t) gemittelt.
Das gemittelte Zeitsignal (t) wird im Frequenzanalysator
35 in seine Frequenzanteile α(f) zerlegt. Wellenlauf wird
als periodisches Einzelereignis an der singulären
Amplitude identifiziert und als Wellenlaufvektor ≙(ω,γ) mit
Amplitude ≙, Frequenz ≙ und Phasenwinkel ≙ ausgegeben.
Der Vektorausgleicher 36 dreht den Wellenlaufvektor ≙ um
180° und führt den Ausgleichsvektor mit der Amplitude
= ≙, der Frequenz= ≙ und der Phasenlage= ≙ + π als
Stellsignal dem Stellmotor 20 zu. Der Stellmotor 20 koppelt
den Wellenlauf aus der Radsatzbewegung aus und macht damit
das Fahrwerk 3 "wellenlaufunfähig". Die anderen erwünschten
kinematischen und dynamischen Eigenschaften von Radsätzen
bleiben unangetastet.
Es entsteht ein völlig neues Spurführungsprinzip.
In einer weiteren Ausgestaltung der Erfindung wird das
Spektrum α(f) ständig ausgegeben und selbst wieder als
Zeitfunktion α(t) aufgefaßt. Aus dem Vergleich der zu verschiedenen
Zeitpunkten aufgenommenen Spektren wird ein Stellsignal
gebildet, das dem Stellmotor 20 als Eingangssignal dient.
Bezugszeichenliste
1 Fahrzeug 1
2 Fahrzeug 2
3 Fahrwerk 3
4 Fahrwerk 4
5 Längsachse Fahrwerk 3
6 Gleisachse Gerade
7 Gleisachse Bogen
8 Längsachse Fahrzeug 1
9 Längsachse Fahrzeug 2
10 Stirnwand Fahrzeug 1
11 Stirnwand Fahrzeug 2
12 Fahrzeuggelenk
13 Abgriff
14 Lage der Gleisachse
15 Stellung Fahrzeug 11
16 Stellung Fahrzeug 2
17 β-Sensor
18 v-Sensor
19 Steuerung
20 Stellmotor
21 linkes Rad, Fahrwerk 1
22 rechtes Rad, Fahrwerk 1
23 Energieteil
24 σ-Sensor links
25 σ-Sensor rechts
26 Fahrkante links
27 Fahrkante rechts
28 Vergleicher
29 Regler
30 δ-Sensor links
31 δ-Sensor rechts
32 δ-Sensor links
33 δ-Sensor rechts
34 Bahnkurve
35 Frequenzanalysator
36 Vektorausgleicher
α Schwenkwinkel
β Gelenkwinkel
δ Rad/Schiene-Abstand
σ Schallspektrum